Die U1 ist die Erstuntersuchung deines Babys unmittelbar nach der Geburt - meist innerhalb der ersten Minuten bis halben Stunde. Ziel ist es, den allgemeinen Gesundheitszustand und die Anpassung an das Leben außerhalb des Mutterleibs zu beurteilen, lebenswichtige Funktionen zu prüfen, Geburtskomplikationen zu erkennen und falls nötig, sofort zu handeln. Die gesetzlichen Grundlagen stehen in der Kinder-Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses, ergänzt durch Fachleitlinien zur Versorgung von Neugeborenen in der Geburtsklinik.
Was gehört zur U1?
Die U1 wird innerhalb der ersten halben Stunde nach der Geburt durchgeführt, je nach Geburtsort und Setting noch im Kreißsaal/OP oder Außerklinisch von Hebammen und/oder Kinderärzten. Ist alles gut gibt es keinen Grund zur Eile, Frühbonding ist heute Standard - dies wird aber unterbrochen, wenn der Zustand des Babys das erfordert.
1. Erster Eindruck und Stabilisierung
Unmittelbar nach der Geburt wird das Neugeborene getrocknet, in ein warmes Tuch gehüllt und, sofern es stabil ist, auf den Bauch oder die Brust der Mutter gelegt. Dieser Hautkontakt hilft, die Körpertemperatur zu stabilisieren, die Atmung zu fördern und das Bonding zu unterstützen. Hebamme oder Ärztin/Arzt beobachten gleichzeitig, ob das Kind frei atmet, ob die Hautfarbe normal ist und wie es auf äußere Reize reagiert. Routineabläufe können dazu führen, dass Messen/Wiegen früher stattfinden – hier lohnt sich dein Bonding-Wunsch im Geburtsplan.
2. Der APGAR-Score
Etwa in der ersten, fünften und zehnten Lebensminute wird der sogenannte APGAR-Score erhoben. Dabei werden fünf Kriterien bewertet: Atmung, Herzfrequenz, Muskeltonus, Reflexe und Hautfarbe. Jedes Kriterium wird mit null bis zwei Punkten bewertet, sodass ein Gesamtergebnis zwischen null und zehn entsteht. Die Bewertung zeigt, wie gut das Kind die Umstellung auf das Leben außerhalb des Mutterleibs bewältigt. Ein niedriger Wert in der ersten Minute bedeutet nicht zwangsläufig ein Problem, entscheidend ist die Entwicklung in den folgenden Minuten.
3. Körperliche Kurzuntersuchung
Wenn das Baby stabil ist, folgt eine erste körperliche Untersuchung. Dabei werden Kopf, Fontanellen, Augen und Mundraum inspiziert, Herz und Lunge abgehört sowie Bauch, Nabel, Genitale und Extremitäten kontrolliert. Es wird geprüft, ob Atmung, Kreislauf und Muskelspannung unauffällig sind und ob Anzeichen von Fehlbildungen oder Geburtsverletzungen bestehen, zum Beispiel ein Schlüsselbeinbruch oder ein Hämatom am Kopf. Zudem werden die Körpertemperatur und die Vitalzeichen beurteilt. Gewicht wird erhoben, bei <P10 oder >P90 werden Blutzucker-Kontrollen erwogen
4. Nabelschnurblut-Untersuchung
Die Bestimmung von Blutgasen aus der Nabelschnur ist ein standardisiertes Verfahren, um den Sauerstoff- und Säure-Basen-Status des Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt zu beurteilen. Dabei wird in der Regel sowohl aus der Nabelarterie (stellt den kindlichen Kreislauf dar) als auch aus der Nabelvene (zeigt den mütterlichen Zufluss) Blut entnommen, um den pH-Wert und den Base Excess (BE) zu bestimmen. Gemeinsam helfen diese Werte, Geburtsstress, Sauerstoffunterversorgung oder Kreislaufprobleme objektiv einzuschätzen, unabhängig von subjektiven Faktoren wie Hautfarbe oder Schreiverhalten. Diese werden im Untersuchungsheft dokumentiert. Auch bei unkomplizierten Geburten wird die Bestimmung vielerorts routinemäßig vorgenommen, da sie im Nachhinein eine wertvolle medizinische und rechtliche Dokumentation darstellt.
Zusammenhang mit dem Auspulsieren der Nabelschnur
Das sogenannte Auspulsierenlassen der Nabelschnur, also das Warten mit dem Abnabeln, bis die Nabelschnur nicht mehr pulsiert, hat nachweislich positive Effekte auf die Kreislaufstabilität und Eisenreserven des Neugeborenen. Studien zeigen, dass ein verzögertes Abnabeln (in der Regel 1–3 Minuten nach der Geburt) das Blutvolumen und den Hämoglobingehalt des Kindes signifikant erhöht. Für die pH/BE-Bestimmung ist das späte Abnabeln grundsätzlich kein Hindernis, allerdings muss beachtet werden:
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Die Nabelschnurblutwerte verändern sich rasch nach der Geburt, sobald die Plazentazirkulation beendet ist.
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Der pH-Wert fällt mit fortschreitender Zeit leicht ab, und der Base Excess kann sich verändern, insbesondere wenn die Abnabelung oder Blutentnahme erst Minuten nach dem Geburtszeitpunkt erfolgt.
Aus diesem Grund wird empfohlen, die Blutentnahme innerhalb von 30 Sekunden nach dem Abnabeln durchzuführen – unabhängig davon, ob das Abnabeln früh oder verzögert erfolgt. In der Praxis bedeutet das: Man kann zunächst das Auspulsieren abwarten, danach abnabeln und dann aus dem abgetrennten Nabelschnurstück Blut entnehmen. Das beeinträchtigt den kindlichen Kreislauf nicht und erlaubt dennoch eine verlässliche Analyse.
5. Vitamin-K-Gabe
Im Rahmen der U1 erhält das Neugeborene die erste Gabe von Vitamin K (in Tropfenform), um Blutungen vorzubeugen, die durch den noch unausgereiften Vitamin-K-Stoffwechsel entstehen können. Ein Baby kommt mit geringen Vitamin K Speichern zur Welt und kann in den ersten Lebenstagen noch nicht selbst Vitamin K bilden. Vitamin K ist jedoch entscheidend für die Bildung bestimmter Gerinnungsfaktoren in der Leber. Ein Mangel kann zu sogenannten Vitamin-K-Mangelblutungen (VKDB) führen, die in den ersten Lebenswochen auftreten können. Durch die prophylaktische Gabe von Vitamin K – in Deutschland standardmäßig dreimal oral (bei der U1, U2 und U3) – lässt sich dieses Risiko nahezu vollständig vermeiden.
6. Weitere Maßnahmen
Je nach Situation und Geburtsort kann zusätzlich eine Augenprophylaxe erfolgen, wenn ein erhöhtes Risiko für Infektionen besteht (z. B. bei bestimmten mütterlichen Erkrankungen). Außerdem werden Gewicht, Körperlänge und Kopfumfang dokumentiert, meist nach Abschluss der ersten Bondingphase.
Die U1 ist kurz, fokussiert und sicherheitsorientiert. Je besser du Bonding-Wünsche, Nabelschnur-Management, Vitamin-K und die Organisation der Folge-Screenings im Vorfeld klärst, desto ruhiger und selbstbestimmter startet ihr in euer Wochenbett.
Quellen:
AWMF S3-Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ (015-083, 2020)
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): Empfehlungen zur Nabelschnurblutgasanalyse
Rabe H. et al., Effect of delayed cord clamping on neonatal outcomes, JAMA 2019
Wiberg N. et al., Effects of delayed cord clamping on umbilical cord blood gases and acid-base balance, Acta Paediatr, 2008
American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG): Delayed Umbilical Cord Clamping After Birth, Committee Opinion No. 814, 2020
Kinder-Richtlinie (G-BA) – Zeitfenster, Inhalte, Pulsoxymetrie/Hör-/Stoffwechsel-Screening; Änderungen 21.03.2024, anwendbar ab 13.01.2025.
S2k-Leitlinie „Betreuung von Neugeborenen in der Geburtsklinik“ – U1-Inhalte, Bonding, Augen-Prophylaxe, Pflege.
BMG-Überblick U-Untersuchungen – Rolle der U1 im Früherkennungsprogramm.
Vitamin-K-Prophylaxe (AWMF S2k) – Begründung und Schema. (Leitlinie formal abgelaufen, in Überarbeitung; Kernaussagen weiterhin Standard
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