Stillmythen-was ist wirklich dran?
Stillmythen begleiten uns Mütter durch die gesamte Stillzeit, wie der Wochenfluss nach der Geburt. Sie verunsichern und machen diese enorme Herausforderung, dein Baby zu nähren, noch komplexer.
Wir klären heute auf und bringen Licht ins Dunkel. Beschäftigen uns mit Fragen, die uns selbst während unserer Schwangerschaft und Stillzeit beschäftigt haben und Themen, die Hebamme Julia immer wieder über den Weg laufen. Über Mythen, die sich hartnäckig halten und den Druck, den sie auf Mamas ausüben.
Es gibt wahnsinnig viele Ammenmärchen rund ums Thema Stillen, die sind von absurd bis durchaus spannend und nachvollziehbar. Und doch bereiten sie den meisten Neu-Mamas ein enormes Kopfzerbrechen. Aus Angst, dass über Nacht die Milch weg ist oder gar nicht erst kommt. Der Druck, den diese Ammenmärchen auslösen, ist riesig. Wir müssen aufhören, vor allem unter Müttern diese Geschichten weiter zu verbreiten! Wir sollten lieber anfangen, uns gegenseitig aufzuklären und motivieren, statt aufzustacheln. Falls ihr Fragen oder Ängste habt, besprecht diese bitte mit der Hebamme oder sogar direkt mit der Stillberaterin eures Vertrauens. Nur so kannst du ein gutes Gefühl dafür entwickeln, was dir und deinem Baby gut tut. Jetzt viel Spaß beim Lesen, lernen und schmunzeln. Wir hoffen, wir können euch so etwas den Druck aus den Segeln nehmen.
Minze reduziert die Milchbildung
FALSCH. Minze ist in den letzten Jahren unter stillenden Müttern stark in Verruf geraten, es soll die Milchproduktion stark hemmen. Dabei sprechen wir nicht nur von Tee, sondern auch von Pfefferminzkaugummis, After Eight also alle pfefferminzhaltigen Produkte. Auch Jenny hat in ihrer gesamten Stillzeit auf Anraten der Hebamme auf Kaugummis und ihren Lieblingstee verzichtet. Es gibt viele warnende Berichte und Artikel, aber tatsächlich keine Evidenz für die hemmende Wirkung von Minze auf die Milchmenge, zumindest nicht in haushaltsüblichen Mengen. Am besten ausprobieren, langsam die Menge steigern und ggf. auf Auswirkungen reagieren.
Wer eine Bauchgeburt hatte, kann nicht stillen
FALSCH. ”Wurde der Kaiserschnitt mit einer regionalen Betäubung durchgeführt, steht dem direkten Stillen nichts im Weg. Ein früher Hautkontakt von Mutter und Baby und das Saugen an der Brust regen die Milchbildung an und begünstigen damit den Stillbeginn. Geht es Mutter und Kind gut, ist es in vielen Krankenhäusern deshalb üblich, der Mutter das Baby nach dem Kaiserschnitt sofort auf die nackte Brust zu legen – noch während die Wunde versorgt wird. Der eigentliche Milcheinschuss findet nach einem Kaiserschnitt oft etwas verzögert statt, im Durchschnitt etwa drei Tage nach der Geburt. Es wird angenommen, dass dies mit der veränderten Hormonausschüttung zusammenhängt. Die Milchbildung kommt häufig schwieriger in Gang und mehr Babys haben Saugprobleme. Auch die Unbeweglichkeit wie die Schmerzen beeinträchtigen den Stillstart, der Milchspendereflex der Mutter ist in der ersten Zeit häufig gestört. Stillen nach Bedarf ist nach einem Kaiserschnitt besonders wichtig, damit die Milchbildung gut in Gang kommt. Mehr dazu HIER und HIER.”
Stillen ist Instinkt. Wenn eine Mutter stillen möchte, dann klappt das auch.
FALSCH. Stillen ist kein Instinkt und auch keine angeborene Fertigkeit, sondern eine sozial erlernte Fähigkeit. In unserer Gesellschaft fehlen definitiv Vorbilder. Stillen ist wie Tanzen: es gibt Naturtalente, die finden sich und tanzen einfach los. Die meisten Frauen benötigen jedoch eine Anleitung und ganz viel Unterstützung. Oft auch nicht nur am Anfang sondern immer wieder, über die gesamte Stillzeit bis hin zum Abstillen.
Kleine Brüste geben weniger Milch, große Brüste viel Milch
FALSCH. "Die Milchmenge hängt nicht von der Brustgröße sondern von der Stimulation der Brust, der hormonellen Situation und der Speicherkapazität ab. Denn die Größe der Brust hat mit dem enthaltenen Fettgewebe zu tun und das rein gar nichts mit der Menge oder Qualität der Milch, dafür ist das Milchdrüsengewebe verantwortlich. Die Milchbildung wird direkt nach Geburt erstmal hormonell gesteuert und somit hochgefahren. Nach einiger Zeit, meist 2-4 Wochen, reguliert sich die Milchbildung eher durch das Prinzip der Angebot und Nachfrage. Aber auch eine sehr kleine Brust kann eine große Speicherkapazität haben und umgekehrt kann die maximale Speicherkapazität einer sehr großen Brust recht gering sein. Aber in jedem Fall ist es wichtig, das dein Baby immer nach seinem natürlichem Bedarf angelegt wird. Dann reguliert sich deine Milchbildung selbstständig."
Abends ist der Milchtank leer
FALSCH. Eine Brust kann nie leer getrunken werden. Es wird ständig Milch nachgebildet. Oft clustern Babys abends jedoch. Bei trinken sie viel in kurzen Zeitabständen und deine Brust wird sich durchaus leer anfühlen. Der Hauptanteil der Milch wird jedoch erst während der Stillmahlzeit gebildet. Fakt ist aber, dass zum Ende des Tages der Fettgehalt der Muttermilch etwas abnimmt und die Babys auch deshalb häufiger an die Brust wollen. Wie voll sich deine Brüsten anfühlen, hängt auch von der Speicherkapazität deiner Brüste ab. Das ist aber total individuell.
Wenn dein Baby oft trinken will, bekommt es nicht genug
FALSCH. Ein gesundes Baby sichert sich gehäuft vor allem in den Abendstunden der ersten Lebenswochen durch ständiges Trinken seine Milchmenge für den nächsten Tag. Dies nennt man Clusterfeeding. Durch häufiges Anlegen wird die Ausschüttung von Prolaktin angeregt und das Baby speichert ein paar Kalorien für die erste längere Schlafphase der Nacht.
Viel Milch abends = Baby schläft länger
FALSCH. "Babys wachen nicht alleine aus Hunger auf. Genau wie bei uns Erwachsenen auch, hat nächtliches Auf- wachen viele Gründe: Babys suchen Nähe, sie werden durch einen Traum aufgeschreckt oder sie müssen sich erleichtern. Auch ein sehr sattes Baby träumt und will sich nachts der Nähe seiner Eltern versichern, um beruhigt weiterschlafen zu können. Häufiges Aufwachen hat unseren Babys über die Evolution hinweg das Überleben gesichert. Hierdurch waren sie die ganze Nacht über gewärmt, geschützt und ausreichend mit Nahrung versorgt."
Es ist normal, dass Stillkinder entweder täglich mehrmals oder auch mal 10-14 Tage keinen Stuhlgang haben.
FALSCH. In den ersten vier bis sechs Wochen sollten Stillkinder dreimal und mehr Stuhlgang pro Tag haben. Das zeigt, dass sie genug Muttermilch bekommen. Danach kann sich der Stuhlgang umstellen, manche haben weiterhin öfter Stuhlgang, andere nur alle paar Tage, auch 10-14 Tage Abstand können dann normal sein, denn dein Baby hat einen wahnsinnig hohen Energieumsatz. Der kleine Körper verbraucht so manchmal einfach alles direkt und es wird kein Stuhlgang mehr ausgeschieden.
Mit Brustimplantaten kannst du nicht mehr stillen
FALSCH. Es existiert keine Studie, die gesundheitliche Risiken für das Kind in irgendeiner Form bestätigen. Jede Mutter, die ihr Baby mit Brustimplantaten stillen möchte, kann dies ohne Bedenken tun. Entscheidend, ob eine Mutter ihr Kind stillen kann oder nicht, ist die intakte Verbindung zwischen den Milchdrüsen und den Brustwarzen. Da dies in der Regel bei allen Brustvergrößerungen der Fall ist, bleibt die Stillfähigkeit eigentlich immer erhalten.
Wenn dein Baby Zähne bekommt, musst du abstillen
FALSCH. Die Zähne deines Babys berühren beim Trinken (mit Unterdruck) im Normalfall deine Brustwarzen nicht, sind also nicht im Weg. Es kann aber sein, dass dein Baby erst einmal üben muss, sobald es erste Zähnchen bekommt. Auch beim Abdocken oder wenn es nur “spielt”, können die Zähne in die Quere kommen. Einen schönen Beitrag gibt es HIER.
Weiche Brust = keine Milch mehr
FALSCH. Mit dem Milcheinschuss sind die Brüste prall und voll. Nach 2-4 Wochen reguliert sich die Milchproduktion und richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Das ist der Zeitpunkt, an dem du vielleicht von heute auf morgen das Gefühl hast, die Brüste sind “leer” und deine Milch ist weg. Das ist der Normalfall. Mehr dazu HIER.
Es müssen Abstände zwischen dem Stillen von zwei oder drei Stunden eingehalten werden.
FALSCH. Das ist eine willkürliche Festlegung. Häufiges Stillen macht weder dein Baby zu dick, du verwöhnst es nicht und es macht auch keine Bauchschmerzen, Auch dann nicht, wenn der Magen vor der nächsten Stillmahlzeit nicht ganz entleert war. Wichtig ist, dass die Babys durch ausreichend langes Stillen an einer Brust an die energiereiche Hintermilch kommen. Wir können es gar nicht oft genug sagen: gesunde Babys werden nach Bedarf gestillt und dabei schaut dein Baby nicht auf die Uhr, sondern meldet sich eben, wenn es Bedarf hat.
Zwiebeln, Hülsenfrüchte, Kohl & Co blähen
FALSCH. Du darfst essen worauf du Lust hast. Wenn du merkst, dass dein Baby reagiert, kannst du ein bestimmtes Lebensmittel mal für 2-3 Wochen weglassen.
Im Sommer zusätzlich Wasser geben
NEIN. Die Muttermilch besteht bereits zu gut 88% aus Wasser. Zusätzliche Flüssigkeitsgaben für ausschließlich gestillte Baby sind nicht nötig. Wenn es wärmer ist, trinken Babys einfach entsprechend häufiger. Wichtig ist, diesem Bedürfnis auch nachzugeben oder dem Baby auch ruhig mal proaktiv die Brust anzubieten. Oft trinken die Kinder eher kurz und entsprechend häufiger. Dafür solltest du als Mama darauf achten, ausreichend zu trinken.
Frauen sind schlechte Mütter, wenn sie nicht stillen.
FALSCH. Keine Frau ist verpflichtet zu stillen, wenn sie sich nach guter Information anders entschieden hat. Jede Mutter braucht eine individuelle Anleitung nach der Geburt eines Babys. Stillen erleichtert die Mutter-Kind-Bindung, ist aber keine Garantie. Bindungsförderndes Flaschengeben kann für Familien eine Alternative sein.
Stillen verhütet
JEIN. Solange eine Frau ausschließlich stillt, ist die Fruchtbarkeit deutlich reduziert. Aber Stillen bietet keinen sicheren Empfängnisschutz. Wenn du ausschließlich (fast ausschließlich) stillst, also mindestens sechsmal innerhalb von 24 Stunden, zwischen den Stillmahlzeiten maximal 4 Stunden liegen (nachts 6 Stunden) insgesamt mindestens 80 Minuten täglich und noch keine Monatsblutung hattest (Wochenfluss wird nicht mitgezählt), ist jedoch ein hoher Empfängnisschutz gegeben. Einen spannenden Beitrag dazu gibt es HIER.
Stillen macht Hängebrüste
JEIN. Das Gerücht, dass Frauen durchs Stillen einen Hängebusen bekommen, hält sich hartnäckig. Die Brust verändert sich zwar tatsächlich in Form und Größe – dafür ist aber nicht das Stillen, sondern schon die Schwangerschaft verantwortlich. Das Brustdrüsengewebe wächst unabhängig vom Stillwunsch bereits in der Schwangerschaft und verändert hierdurch die Brust. Neben der Schwangerschaft haben Alter und Bindegewebsstruktur den größten Einfluss auf das Aus- sehen der Brust. Es kann einige Monate bis hin zu zwei Jahren dauern, bis sich nach der Schwangerschaft bzw. Stillzeit das Drüsengewebe zurückbildet und wieder mehr Fett in der Brust eingelagert wird. Ob alles wieder so wird wie vor der Schwangerschaft, ist Veranlagung. Bei Frauen mit einem schwächeren Bindegewebe hängen die Brüste mehr als bei Frauen mit einem festeren Bindegewebe.
Stillen schmerzt am Anfang immer
FALSCH. Eine leichte Reizung der Brustwarze, ein Ziehen oder Kribbeln in der Brust können in der ersten Zeit normal sein. Spüren Sie aber Schmerzen, so stimmt etwas nicht und Sie benötigen direkt Hilfe! Wird die Brustwarze wund oder schmerzt die Brust, dann können z.B. Anlege- oder Saugpro- bleme, ein Milchstau oder ein Soor Ursache sein.
Eine Mutter, die raucht, darf nicht stillen!
FALSCH. Das Baby wird vor allem durch Passivrauchen über die Luft beeinträchtigt. Die Familie sollte gut beraten werden, am besten schon in der Schwangerschaft. Vor allem ist es wichtig, nicht in der Wohnung und nicht vor dem Stillen zu rauchen. Wenn eine Mutter sehr viel raucht, wird sie weniger Milch haben. Besser ist: weniger zu rauchen und zu stillen, als nicht zu stillen.
Stillen ist so natürlich, jede Frau kann stillen.
JEIN. Stillen ist ein Prozess und muss erstmal geübt werden. Du bist du darin und dein Baby auch. Die Aussage, dass Stillen das natürlichste der Welt ist, übt unter Umständen sehr viel Druck aus und führt meistens zu Frustration bei Neu-Mamas, wenns dann doch nicht so einfach läuft wie gedacht. Wenn es einmal funktioniert, fühlt es sich tatsächlich wie das natürlichste der Welt an.
Stillende Frauen können keine Anti-Baby Pille nehmen
JEIN. In der Stillzeit wird die herkömmlichen Kombinationspille, welche Östrogen enthalten, nicht empfohlen. Östrogen beeinflusst den Prolaktionspiegel und deswegen auch den Milchproduktion. Es gibt auch Thesen darüber, dass Östrogen den Geschmack des Milch verändert, das ist aber nicht belegt. Deshalb wird die Mini-Pille empfohlen, die enthält nur ein Gelbkörperhormon (Gestagen) in sehr niedriger Dosierung und eignet sich deshalb besser zur Verhütung in der Stillzeit.
Das Baby muss immer beide Seiten trinken
NEIN. Es gibt Frauen, die Stillen die gesamte Stillzeit über nur eine Brust. Zwar schont ein wechselseitiges Anlegen in den ersten Wochen die Brustwarzen, allerdings geht es auch anders. Forschungen zufolge trinken nur 13% der Babys beide Brüste, gut 30% der Babys nur an einer Brust.
Stillen ist an allem Schuld.
Die Familienmitglieder, Nachbarn und Freunde, oft sogar das Gesundheitspersonal, werden dem Stillen die Schuld geben, wenn Mutter oder das Kind müde, nervös, weinerlich oder krank sind. Wann immer etwas eintrifft, das nicht in das Bilderbuchleben hineinpasst, wird der Mutter von jedermann geraten, mit dem Stillen aufzuhören. – Leider!
Kennst du schon unsere Stillberatung?
Du bist ganz unsicher, es kommen Fragen auf aber du hast keine professionelle Unterstützung an deiner Seite? Unsere Hebamme Julia bietet Online Stillberatung für Schwangere, Neu-Mamas und Paare - bei Fragen, Ängsten, einem akuten Problem oder auch einfach nur, wenn ihr euch auf das Stillen vorbereiten wollt. Die Stillberatung könnt ihr HIER buchen.
Unsere Quellen sowie andere Ammenmärchen findet ihr hier:
https://www.afs-stillen.de/fuer-muetter/infos-rund-ums-stillen/stillmythen/
https://www.stillenimkrankenhaus.de/stillmythen/
https://www.bdl-stillen.de/mythen-zum-stillen-ammenmaerchen/
https://www.lalecheliga.de/images/Infoblaetter/LLL_Mythen_und_Ammenmaerchen_rund_ums_Stillen.pdf
https://www.littleyears.de/blog/uber-stillmythen-und-den-druck-der-frauen-gemacht-wird/